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Das Mädchen: Rezension

6.347 Byte hinzugefügt, 08:35, 29. Jul. 2022
K
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;<center>Wie fand ich mein Lieblingsbuch?</center>
Zunächst stöberte ich in einem Stephen-King-Forum und schaute mir auch mal Threads an mit dem Namen "Schlechtestes King-Buch" oder "Die 3 besten und schlechtesten Bücher von Mr. King". In beinahe jedem zweiten Beitrag tauchte da der Name ''[[Das Mädchen]]'' auf und auch in anderen Threads mit Bewertungen fand man das Buch am unteren Ende. Zum Teil wurde es verunglimpft mit Ausdrücken wie "The Girl who loved to bore me". Die Erwartungen schraubten sich in den Keller. Hat [[Stephen King]] hier wirklich einmal sich einen Fehlgriff geleistet? Wann soll ich das Buch lesen, wenn ich mir doch vorgenommen habe alle zu lesen? Ungefähr gegen Weihnachten war es dann so weit und um mich darauf einzustimmen, las ich schon ohne mich zu spoilern einige Rezensionen. Gut, das Thema sich im Wald zu verirren klang jetzt überhaupt nicht schlecht, nur das Baseball so eine große Rolle spielen soll, schreckte mich dann ab.
Baseball ist eine der langweiligen Sportarten, die außerhalb der USA wohl kein Mensch toll findet, ähnlich wie American Football. In einer Welt, in der der Fußball längst den Sport dominiert, ist das in meinen Augen umso ärgerlicher, dass die Amis wohl als einzige Nation immer noch Begeisterung daran finden mit einem Stock einen Ball wegzuschlagen und durch ein ganzes Stadion zu laufen. Darüber ein Buch? Das kann schon ärgerlich werden. Also waren meine Erwartungen bezüglich dieses Buches bei nahezu Null und so bekam ich es zu Weihnachten zusammen mit ''[[Das Bild]]'' und ''[[Desperation]]'', um schnell etwas zu haben, damit dieser Flop vergessen werden konnte.
Was sich äußerst schmalzig anhört, waren tatsächlich meine Gedanken beim Lesen. Trisha wurde für mich zu eine der sympathischsten, authentischsten Kingfiguren überhaupt. Viele behaupten zwar sie handle völlig unrealistisch für ein neunjähriges Mädchen, doch ich behaupte genau das Gegenteil. Sie handelt wie ein Mensch, der sich in einer Extremsituation befindet, sich nicht aufgeben darf, wenn er überleben will und seinen ganzen Mut zusammennehmen muss, um einen Weg aus einer nahezu aussichtslosen Lage zu finden. Das ein Kind dabei gelegentlich in sein kindliches Verhalten zurückfällt, ist genauso realistisch und die Mischung aus beiden Eigenschaften gelingt King einfach nur perfekt.
Moment mal, da war doch noch das von mir so verschmähte Baseball. Wie das King löst trägt zur weiteren Brillianz dieses einzigartigen Romanes Romans bei. Untergliedert ist der Roman in Innings (unfassbarerweise im Deutschen übersetzt mit Durchgänge), die Teil eines Baseballspiels sind. Neun gibt es insgesamt und diese machen mehr oder minder den ganzen Roman aus. Schon in der Erzählstruktur verbindet King also Trishas Lieblingsspiel mit dem Roman. Noch besser aber wird es bei der Darstellung des [[Tom Gordon]]. Zweimal nur bekommen wir ein Baseballspiel zu hören und dabei ist vollkommen irrelevant, wie stupide und langweilig dieses Spiel eigentlich ist, denn das vorkommt im Angesicht der Tatsache welche Bedeutung es für Trisha hat. Ihr Glauben an ihr Idol Tom Gordon gibt ihr die nötige Kraft und das Durchhaltevermögen aus dem Wald zu entkommen. Einmal gewinnt Tom Gordon das Spiel seiner Mannschaft, Trisha hat zu diesem Zeitpunkt ein kleines Hoch, Tom Gordon verliert mit seiner Mannschaft, Trisha geht es äußerst schlecht. Einfach nur super wie King ein Baseballspiel, welches durch Kampf, Siegeswillen und Glauben an sich selbst gewonnen werden kann, verbindet mit Trishas Situation, die ähnliche Tugenden braucht. Tom Gordon und Baseball ist also nichts anderes als eine Leitfigur, ein Hoffnungsschimmer für Trisha. Genauso gut hätte Tom Gordon auch ein bekannter Fußballer sein können, oder der Roman in die Drittel eines Eishockeyspiels unterteilt sein können. Wichtig ist nicht die Sportart, sondern die Hoffnung, Begeisterung und die Euphoriegefühle, die es sie in einem Menschen auslösen kann. Für mich als Fußballfan (Energie Cottbus) eine sehr gute Botschaft.
;<center>...und endet perfekt!</center>
Nach ungefähr 200 Seiten war für mich jeder Zweifel ausgeräumt, dies ist kein King-Flop, sondern eines seiner Meisterwerke. Die einzige bange Frage: Hoffentlich verhunzt er nun nicht das Ende. Auch da Fehlanzeige. Trisha ist dem Ende nahe und wieder hilft ihr nur ihr Idol Tom Gordon. Mit dem Bären wird nur noch ein passendes Spannungselement eingebaut. Sicher kann man sich streiten, über sein seltsames Verhaltenstreiten, doch ich sehe ihn eher als Symbol für Trishas Ängste, die sie im Wald durchsteht, genau wie der [[Gott der Verirrten]] eine Metapher dieser Verirrtheit ist. Es gelingt King, im Gegensatz zu den meisten seiner Geschichten, einen dem Roman angemessenen Höhepunkt zu kreieren. Auch ich verspürte Triumph, als sich Trisha mit letztem Mut und letzter Kraft ihren Ängsten (dem Bär) stellt und die Macht entwickelt über diesen diesem zu triumphieren.
Fast weinen vor Freude möchte man, als Trisha im Krankenhaus aufwacht, zu ihrem geliebten Vater aufschaut, ihm klarmacht, was Tom Gordons rätselhaftes In-den-Himmel-zeigen nach einem gewonnenen Spiel zu bedeuten hat und dann lächelnd wieder einschläft, als ihr Vater es versteht. Fast weinen möchte man auch, weil ein so grandioses Meisterwerk nun zu Ende ist.
Einziger Kritikpunkt ist die dämliche, deutsche Übersetzung des Titels, die aus ''[[The Girl Who Loved Tom Gordon]]'' ''Das Mädchen'' macht. Genauso gut könnte es aber auch heißen ''The Novel Who Is Loved By E.S.''
So kann ich nur sagen, danke Stephen King für die intensivste, literarische Erfahrung meines Lebens!  Rezension auch zu lesen auf [http://www.bookola.de/buchrezensionen/75-stephen-king74/2017-stephen-king-das-maedchen-jubilaeumsausgabe.html BookOla.de]   ==[[Benutzer:Jimla2|Jimla]] (5 / 5)== Mir geht es da ähnlich wie Mr. Dodd über mir. Zwar würde ich nicht so weit gehen, "Das Mädchen" als meinen Lieblings-King zu bezeichnen, jedoch war es ein sehr intensives Leseerlebnis.  Ab dem Moment, in dem sich Trisha allmählich bewusst wird, dass sie - obwohl sie nicht weit vom Weg entfernt sein kann - völlig die Orientierung verloren hat, gerate ich mit ihr in Panik und beginne in der verzweifelten Hoffnung, doch auf den Pfad zurückzufinden, bevor die Angst mir die Kehle zuschnürt, willkürlich drauflos zu rennen, anstatt - wie es vernünftig wäre - einfach an Ort und Stelle zu verweilen und sich suchen und finden zu lassen. Denn wer will sich schon die Blöße geben, sich von einem Suchtrupp finden zu lassen, während man eventuell nur 50 Meter vom Wanderweg entfernt ist? Obwohl ich also beim Lesen einige Jahre älter war als Trisha und ich kaum Ähnlichkeiten mit ihr habe, konnte ich ihre Reaktion auf die missliche Lage gut nachempfinden. Der Magen verkrampft sich immer mehr, je weiter Trisha in den Wald hineinläuft; man möchte ihr von der Ferne zurufen anzuhalten, während man gleichzeitig in ihr drinsteckt und voller Angstins Verderben rennt. Trisha findet - so wie der Leser - Trost in dem Umstand, dass sie ihr Radio dabei hat, mit dem sie die Spiele ihres Baseball-Stars Tom Gordon mitverfolgt. Es sind dies Minuten, in denen sie all die begründeten und unbegründeten Ängste, die sie quälen, vergessen kann; Tom Gordon wird zu ihrem Talisman, der sie durchhalten lässt. Auch dann, wenn sich der King'sche Horror in Form von unheimlichen Fieberfantasien offenbart. Mich als Leser quälte derweil die Tatsache, dass Trisha ihrer Rettung einmal ganz nah ist und sich dann doch für den falschen Weg entscheidet - eine Information, die sich King nicht verkneifen konnte und mich beim ersten sowie beim zweiten Lesen zutiefst erschütterte. Ach Gott, allein beim Schreiben dieser Rezension kehre ich in Gedanken mit Trisha in diesen unheimlichen, endlosen Wald zurück und fühle mich darin wie der einzige Mensch auf einem fremden Planeten. "Das Mädchen" ist ein kurzes, intensives Erlebnis, für welches ich mich mit der Höchstwertung bedanken möchte. ==[[Benutzer:Horaz Klotz|Horaz Klotz]] (4 / 5)==Ein weiterer Roman, eine weitere menschliche Urangst. Diesmal arbeitet sich King am Motiv des Verirrens ab und entfaltet vor dem eindrucksvollen Hintergrund der amerikanischen Wildnis eine Geschichte, die an jedem Ort und zu jeder Zeit spielen könnte. Das ganze funktioniert für mich so gut, dass ich nicht wirklich nachvollziehen kann, warum so viele die Geschichte langweilig fanden. - Das ist ein Buch über das Überleben im Wald, klar dass da nicht auf jeder Seite Action wartet und das einige Handlungsstränge vorgegeben sind. Die zunehmende Verzweiflung, seltsame Geräusche in der Nacht, die Suche nach Nahrung, das hat man natürlich alles schon gelesen, aber King gelingt es die trockenen Survival-Aspekte spannend zu halten. Bei einem so allgemeinen Thema kann man gar nicht anders als sich aus der Sicherheit seines Lesesessel heraus zu fragen wie man sich selbst in so einer Situation verhalten würde. Weiß ich wirklich welche Pilze und Beeren man essen kann? Könnte ich mir einen notdürftigen Unterschlupf bauen? Und was macht man eigentlich wenn nachts ein Wildschwein, ein Bär oder - ''etwas anderes'' durchs Gebüsch kriecht? So eine Identifikation mit der Hauptfigur gelingt natürlich besonders gut, wenn der Protagonist halbwegs sympathisch ist. Und auch hier liefert King gut ab. Trisha lässt das Klischee des hilflosen kleinen Mädchens schnell hinter sich und wird schon nach ein paar Dutzend Seiten zum ganz eigenen nachvollziehbaren Charakter. Dabei fand ich die gelegentlich ziemlich krassen Stimmungsschwankungen zwischen naiver Hoffnung und tiefer Verzweiflung nicht nur realistisch, sondern auch narrativ interessant. Ist Trisha am Anfang ihres Abenteuers noch eine klassische Kingsche Kinderheldin, die sich mutig jeder Gefahr stellt, erinnert sie in ihren düstersten Momenten an die deutlich erwachseneren Helden in ''Todesmarsch'', die einfach weiterlaufen obwohl sie jede Hoffnung verloren haben. Der Kniff die Stimmungslage über die aktuellen Baseball-Spiele zu spiegeln ist dabei manchmal ein bisschen dick aufgetragen, funktioniert aber insgesamt ziemlich gut. Und verglichen mit dem was andere in der Wildnis auf sich allein gestellte King-Charaktere so durchmachen müssen (''Überlebenstyp''), bleibt das ganze nett kindgerecht. Ist ''Das Mädchen'' bis hier ein solides, aber doch unauffälliges Survival-Abenteuer wird mit dem düsteren Gott der Verirrten ein King-typisches Horror-Element eingebaut. Was eine etwas alberne Kinder-Version von ''Blair Witch Projekt'' hätte werden können - immerhin hinterlässt auch der Verirrten-Gott nachts mysteriöse Symbole und Zeichen im Wald - bleibt hier durchgehend spannend. King lässt sich wieder Mal auf den Drahtseilakt ein, bis zum Ende offen zu lassen ob hier wirklich ein echtes Monster durch die Handlung streift oder Trishas Kinderfantasie ihr einen Streich spielt. Das funktioniert wunderbar, besonders weil er sich auf Motive beschränkt, die einem im Wald wirklich gefährlich werden könnten statt sich in allzu fremdartigen Monster-Beschreibungen zu verlieren. Ein Bär und ein Wespenschwarm sind auch für sich genommen gruselig und die Idee dass sie sich in der Dämmerung im Geist eines verängstigten Kindes in ein echtes Monstrum verwandeln können, ist naheliegend genug. Leider geht dieser spannende Zweikampf Mädchen gegen Monster am Ende nicht wirklich auf. Nachdem sie sich über hunderte Seiten ganz allein durchgeschlagen hat, muss Trisha doch wieder von einem zufällig vorbeikommenden Wilderer gerettet werden. Immerhin fand ich es geschickt gelöst, dass der Bär/Gott nur vertrieben, nicht getötet wird und die bohrende Ungewissheit, was genau unsere Heldin da tagelang verfolgt hat bestehen bleiben darf. Fazit: Nett geradliniges Überlebensbuch, mit sympathischer Protagonistin und genau der richtigen Menge King-Monster-Fantasy. In diesem Buch verirre ich mich gern mal wieder.
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